Ein Überwachungsgeschwader-Insider-Beitrag!
Militärhistorischer Beitrag von Vzlt i.R. BÖSEL Kurt (ÜbwGschw)
Damals haben sicher viele Einwohner in Nieder- und besonders in Oberösterreich große Augen gemacht, als sie am Himmel fremdländische Militärflugzeuge in mehr oder weniger „close formation“ zusammen mit österreichischen Militärmaschinen sahen. Aber genau dies ereignete sich im Mai 1998, als erstmalig die länderübergreifende fliegerische Übung mit den Tschechischen Luftstreitkräften stattfand!
Außergewöhnlich neben dem Übungspartner war auch die Übungsannahme. Der Übung lag nämlich die Annahme zugrunde, dass sich ein Militärflugzeug auf-grund von Navigationsfehlern bzw. dramatischer Wetterlagen jeweils auf das benachbarte Staatsgebiet verflogen hätte und anders als zu Warschauer Pakt – Zeiten – nicht abgeschossen oder zur Landung gezwungen worden wäre, sondern von der eigenen Luftwaffe wiederum auf heimatliches Territorium zurück eskordiert werden soll.
Seitens der österreichischen Luftstreitkräfte waren unter anderem SAAB S35 Draken und SAAB 105 OE im Einsatz, während Tschechien ihre SUCHOI SU-22 und MIKOJAN/GUREWITSCH MiG-23 einsetzten.
Zu erwähnen ist an dieser Stelle, dass von österreichischer Seite der damalige Mjr Dr. jur. GAPPMAIER Georg zum Kommandostand (Anm.: vergleichbar mit unserer Einsatzzentrale Berg in ST.JOHANN/Pongau [EZB/LRÜR]) nach Tschechien entsandt worden ist. Dieser befand sich in der Ortschaft CHOMUTOV, ca. 70 km nordöstlich von der bekannten Stadt KARLSBAD.
Übungsgesamtverantwortlicher war der damalige Obstlt STADLHOFER – gelernter Radarleitoffizier aus der EZB/LRÜZ.
Wie kann man sich den Ablauf dieser Übung vorstellen?
Überlassen wir für diese Erläuterungen aber das Feld meinem Kameraden und Experten Georg GAPPMAIER:
„Prinzipiell hat man auf Bewährtes und Vorhandenes aufgebaut, das sind die Luftnotlagefrequenz 121,5Mhz, wo die ganze Welt mithört sowie das bodengebundene Telekommunikations-Netzwerk der Flugsicherung. Für uns Besatzungen- aus meiner Sicht das Wichtigste- war, bei heiklen mitteleuropäischen Wetterlagen das Wetter für S35-geeigneten grenznahe tschechische Flugplätze ins eigene Wetterbriefing zu importieren.
Ich weiß leider nicht, wie das zwischenstaatliche Agreement für den Betrieb eigener hoheitlicher Lfz in fremden Staaten ausformuliert worden ist. Ich war da nicht eingebunden. Ein möglich angeführter Zeitfaktor wäre nie ein Problem gewesen – ein Notfall wäre im Nu zwischen den Kontrollstellen abgehandelt worden. Kurz und gut, ob Landung in LINZ-HÖRSCHING (Anm.: LANGENLEBARNwar ja für Draken-Landungen wegen der zu geringer Pistenlänge nicht geeignet!) oder BUDWEIS wäre völlig egal gewesen.
Kommandostand CHOMUTOV, TSCHECHIEN
In diesem, in einem unterirdischen Bunker gelegenen Controllcenter arbeitet Mjr Dr. jur. GAPPMAIER mit dem tschechischen Militär zusammen und erlebte dort den Verlauf der Übung.
Und dort wurden auch die angenommenen Luftnotlagen erarbeitet und während der Übung und mit „Low Approaches“ tschechischer Flieger in LINZ/HÖRSCHING einmal praktisch erprobt. (Anm.: unter Low Approach versteht man das Anfliegen einer Landebahn, ohne darauf aber zu landen. Die Landebahn wird dabei in geringer Höhe überflogen und der Flug dann fortgesetzt. Zu beachten ist dabei aber , dass in Europa die Mindestflughöhe von 500 Fuß über Grund nicht unterschritten werden darf. Dieses Verfahren wird vor allem zum Üben von IFR-Anflüge (Instrumentenanflüge) genutzt. Es ist aber auch geübt Praxis, dass Piloten, wenn sie einem fremden, für sie unbekannten Platz anfliegen müssen, zuerst einen Low Approach machen, um sich über die Gegebenheiten des Flugplatzes ein genaueres Bild zu bekommen, bevor sie zu einer Landung ansetzen.
Aber lassen wir unseren ehemaligen Drakenpiloten weitererzählen:
„Der Gesamtverantwortliche der Übung, Obstlt STADLHOFER hatte bemerkenswerterweise in seiner Übungsplanung ein selbst mitgebrachtes Backup für die Luft-Lagedarstellung befohlen, aus Sicherheit, ´denn man weiß ja nie`!
Und dann war während der Übung tatsächlich einmal ein totaler Stromausfall in diesem unterirdischen Verlies – nichts ging mehr, kein Licht, absolute Finsternis.
Aber – fast wie ein Wunder – in der Mitte des Raumes arbeitete dann das von Seiten des österreichischen Militärs mitgebrachte Notstromaggregat für die Luft-lage-Darstellung, die ja bei einer fliegerischen Übung das Herzstück für die Entscheidungsträger darstellt. Das hat alle im Bunker Anwesende doch sehr beeindruckt, und womit auch das Ansehen des Österreichischen Bundesheeres bei den tschechischen Freunden ungemein stieg!“
Der Autor dieses Berichtes war während dieser Übung in der Funktion eines GefStdUO in ZELTWEG am Staffel-Gefechtsstand (Anm.: mit der Einführung des Eurofighter wurde daraus das sogenannte SQOC = Squadron Operation Center, was doch eher die fliegerische Komponente hervorhebt) tätig. Ihm oblag u.a. die Entgegennahme der Einsatzbefehle und deren Weitergabe an den Staffelkommandanten bzw. Flugauftragserteilenden, die Führung der Einsatzübersichtstafel, die statistische Erfassung der durchgeführten Flüge mit dem EDV-Programm „Flugdatenverwaltung“ sowie zum Abschluss die Erstellung einer Gesamtübersicht über geflogene Einsätze und dabei erreichte Flugstunden.
Zum Abschluss sei noch vermerkt, dass die Übung unfallfrei und erfolgreich verlief – zu einer Wiederholung kam es aber bis zum heutigen Tag nicht – obwohl es einen wertvollen Beitrag (und das ganz im Geist der “Konferenz zur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa”-Diplomatie) für vertrauensbildende Maßnahmen zwischen zwei Staaten darstellte.