Multinationale Luftraumverteidigungsübung 03.-07.Juni 2002
Das Motto: “Gestern nebeneinander, heute miteinander, morgen füreinander“
Einleitung
Wir schreiben das Jahr 2002 und die verheerenden Terroranschläge vom 11. September 2001 auf die World Trade Center-Zwillingstürme und auf das Pentagon in Washington DC, New York waren speziell in Fliegerkreisen noch in aller Munde. Dort war man sich bewusst, dass damit eine neue, noch nie da gewesene Dimension im Bereich der Luftraumverteidigung erreicht worden ist, auf die man als kleiner Staat und mit einer kleinen Luftwaffe nur mit Hilfe von befreundeten Staaten reagieren kann. Was lag also für unsere Führung näher, als mit anderen Ländern zusammen eine Luftraumverteidigungsübung abzuhalten. Erstmals eingesetzt im gemeinsamen Verbund waren diesmal aber auch Personal inclusive Logistik von Radar- und Fliegerabwehrsysteme der beteiligten Länder.
Facts
Anmerkung zu Übungs-Decknamen
Während bei den Landstreitkräften für Übungen oder Manöver gerne Namen wie „Herbstlaub 98“ oder „Morgendämmerung 01“, also eher erdige Begriffe verwendet werden, dreht sich beim Teilstab/LUFT in SALZBURG alles um unseren weltberühmten Komponisten Wolfgang Amadeus MOZART. So heißt z.B. ein Flugplanungs-Tool „Zauberflöte“ und das große Air Operatons Center in St. Johann benennt sich „Sarastro“. Und auch der Begriff „Goldhaube“ für das Radarüberwachungs-System kommt aus Mozart`s Opernwelt. Ja, und deshalb nannte man diese Übung der Größe entsprechend auch gleich einmal „Amadeus“.
Übungsannahme
Dieser Großübung lag folgendes Szenario zugrunde:
„Zusammenarbeit von Flugzeugen, Radar- und Fliegerabwehrkräfte unterschiedlicher Staaten zum Schutz einer Flugverbotszone im Rahmen eines friedenerhaltenden Einsatzes unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen.“
Folgende Ziele sollten dabei erreicht werden:
–Interoperabilität mit:
gemeinsamen Lufteinsätzen im Bereich der Luftraumüberwachung und Luftraumverteidigung
Erprobung der Führungsorganisation und Führungsprozesse nach den Vorgaben der NATO-Partnerschaft für den Frieden (PfP)
Integration von ausländischen Führungspersonal auf allen Ebenen
Vertiefung der Zusammenarbeit mit ausländischen Flieger-, Luftraumüberwachungs-, und Fliegerabwehrkräften.
–Einsatz in- und ausländischer mobilen Komponenten mit:
Einsatz mobiler Führungszentralen der Luftstreitkräfte
Einsatz eigener und ausländischer mobiler Mittelbereichs-Radaranlagen in Österreich
Flexibler Einsatz von Tieffliegererfassungsradars
Einsatz eigener und ausländischer Fliegerabwehrkräfte zum Schutz von sensiblen Objekten.
–Multinationale Datenintegration mit:
Übertragung von AWACS-Daten in österreichische Führungszentralen der Luftraumüberwachung
Einbindung von Radardaten ausländischer Sensoren in das österreichische Verarbeitungssystem
Zur Verfügungstellung von Daten des eigenen Führungs informationssystems.
–Host Nation Support mit:
Versorgung von ausländischen Kräften, insbesondere in den Bereichen Verpflegung und Unterbringung, Transporte von Personal und Material, Sanitätsversorgung, die Treibstoffversorgung und Unterstützung bei Instandsetzungsarbeiten. Weiters die Hilfestellung bei der Informations- und Kommunikationstechnologie (Nutzung eigener und ziviler Netzwerke).
Fly-in der Übungsteilnehmer:
Auf Einladung zu dieser Übung waren gekommen:
- 2 F/A-18 Hornet Einsitzer der Schweizer Flugwaffe
- 2 F/A-18 Hornet Doppelsitzer
- 2 MIRAGE 2000 Einsitzer der Französischen Luftwaffe
- 2 MIRAGE 2000 Doppelsitzer
- 1 PANAVIA PA 200 Tornado der Italienischen Luftstreitkräfte
Damit hatte man eine kleine Luftflotte zusammengestellt, wo die Flugzeuge ungefähr demselben Leistungsspektrum – alle Typen konnten Mach 2 und mehr fliegen – angehörten.
Problemfeld – die Alarmierung für QRA-Einsätze:
Etwas Kopfzerbrechen bereitete den Verantwortlichen aus dem Übungsgefechtstand die Duchführung der akustischen Alarmierung der QRA-Rotten (Quick Reaction Alert). Dazu muss man wissen, dass aufgrund der räumlichen Entfernungen zwischen Technik und Piloten im LRÜ-Dienst die Alarmierung auch mittels von Lautsprechern erfolgte, die außen an der Halle II angebracht waren. Dadurch war sichergestellt, dass die für den Alarmstart nötige Technikcrew sofort zur Stelle war, egal wo sie sich auch aufhalten. Bei einem Element ist es einfach, aber wie verfährt man, wenn man drei Elemente am Platz hat, damit jeder Teil weiß, für wen die Sirene nun gilt. Aber irgendwie lösten wir bei einem kurzen Briefing mit allen beteiligten Piloten und der Technik auch diese Situation!
Die Übung kann beginnen:
Anders als beim Besuch der ungarischen MiG-Piloten Jahre davor kamen diesmal routinierte Kampfpiloten aus den NATO-Staaten Frankreich und Italien sowie genauso erfahrene Piloten der Schweizer Flugwaffe zu uns nach ZELTWEG. Dadurch konnten „unlimited“ Übungen bei Tag und bei Nacht geflogen werden. Und auch hier im Konzert mit großen und modern ausgerüsteten Luftstreitkräften konnten unsere Piloten mit den doch schon betagten Draken einen ernst zu nehmenden Übungspartner abgeben.
Interne Zusammenarbeit mit den ausl. Gästen!
Neben der Präsenz so vielen hochkarätigen ausländischen Militärjets war natürlich auch die interne Kommunikation mit den ausländischen Piloten, die wir ja in unseren Staffelräumen untergebracht hatten, mehr als spannend. Mir als damaligem NavUO oblag es, den Piloten eine gewisse Hilfestellung (Host Nation Support) anzubieten, indem ich ihnen ÖMK-Kartenmaterial von den Übungsräumen und Dokumentationen über die österreichische Luftraumstruktur zur Verfügung stellte, ihnen für diversen Transporte am Platz meine Hilfe anbot und ihnen halt jeglichen Wunsch, so er in meiner Macht lag, erfüllte. Aber auch unser Vzlt STRIMITZER, auch Timmy genannt, half dabei tatkräftig mit. Er fungierte als Verbindungsoffizier zwischen unserer Flugleitung, der Flugsicherung und den ausländischen Piloten. Und auch bei der speziellen Flugplanerstellung war er mit seiner großen Routine ein gefragter Mann.
Dabei lag es natürlich in der Natur der Sache, dass mit den deutschsprachigen Schweizer Piloten bald einmal der typisch österreichische „Schmäh“ lief, der auch gerne erwidert worden ist.
Gewisse Anfangsschwierigkeiten, wenn man es so nennen darf, gab es aber mit den französischen Piloten schon. Da wäre einmal ihre etwas irritierende Reserviertheit Fremden gegenüber, denn sie wussten anfangs offensichtlich nicht so richtig, was sie mit uns Österreichern anfangen sollten – um ehrlich zu sein, wir anfänglich umgekehrt aber auch nicht so richtig. Und zum Zweiten war da natürlich die verbale Verständigung, da wir uns mit den Piloten aus Frankreich ja in Englisch unterhalten mussten. Wenn jemand weiß, wie die englische Sprache aus dem Mund eines Franzosen klingt, dann weiß er auch, was ich damit meine. Denn sogar unsere Drakenpiloten hatten anfänglich leichte Probleme, ihre Pilotenkameraden aus Frankreich in der Luft am Funk zu verstehen.
Doch letztendlich wurden all diese Barrieren überwunden und wir hatten ein durchaus gedeihliches und speziell für uns ein erfahrungsreiches Miteinander.
Jedenfalls war ich persönlich dann mehr als erstaunt, als sich der Schweizer Delegationsleiter bei mir in aller Form für die Hilfestellung bedankte, und mir für mein gezeigtes Engagement das Stoffabzeichen der Fighter Squadron 18 „Panther“ überreichte, den ich hier stolz zeigen kann!
Stimmungsbilder
Und mit den nachfolgenden Aufnahmen bei beginnender Dämmerung will ich die Leserschaft auch in eine Welt einführen, die jedem Nichtpiloten in der Regel verwehrt bleibt. Diese Fotos sollten aber auch zeigen, dass dem Beruf eines Militärpiloten neben seiner Professionalität hin und wieder auch eine gewisse Poesie angeheftet ist, die Timmy so meisterhaft mit diesen Bildern einfangen konnte.
Ein Video zur Übung:
Erfahrungsaustausch für österr. Piloten:
Da unsere ausländischen Übungsteilnehmer ja bekanntlich auch mit Doppelsitzer-Maschinen nach ZELTWEG verlegt hatten, kamen einige unsere Drakenpiloten auch zur einmaligen Chance einer Mitfluggelegenheit auf einer MIRAGE 2000 oder F/A-18. So auch für Timmy, der gleich am Anfang der Übung die Gelegenheit bekam, auf dem Backseat einer MIRAGE 2000 Platz zu nehmen und der seine Eindrücke wie folgt schilderte:
„Natürlich konnte ich auch vom hinteren Sitz das Steuer über-nehmen. Es war etwas völlig anderes als ich bis zu diesem Zeitpunkt geflogen bin. Die Steuerung reagierte sehr empfindlich auf die Bewegungen des Knüppels. Aber nach kurzem Steuern hatte man sich schnell daran gewöhnt. Es war ein Flug in die Nacht hinein, und Capt. RALLET setzte den Supersonic-Jet nach rund einer Stunde Flugzeit in der Dunkelheit auf der Piste in LOXZ auf.“
Und auch ein Mitflug auf einer Schweizer F/A 18 Hornet stand für unseren Senior noch auf dem Programm, aber zu mehr als einer Cockpiteinweisung und einer Sitzprobe kam es wegen des vorzeitige Übungsende aber nicht.
Zusammenfassung:
Rückblickend kann gesagt werden, dass die Übung für alle Beteiligten ein großer Erfolg war und sich der Arbeitsaufwand durchaus gelohnt hat. Und auch die ausländischen Gäste waren voll des Lobes über unser Engagement.
Besonders im Bereich der Interoperabilität brauchen wir in Österreich speziell durch den innovativen Geist, der bei den Mitarbeitern, wie den EDV-Spezialisten vom Rechenzentrum und den auch international erprobten RLO`s im LRÜZ in St. Johann herrscht, europaweit keinen Vergleich scheuen.
Dazu passt auch der Text von der Homepage des österreichischen Bundesheer, wo da zu lesen war, dass
„zur erfolgreichen Begegnung mit dieser neuen Art der Bedrohung aus der Luft wird in Zukunft eine grenzüberschreitende Zusammen-arbeit der einzelnen Länder erforderlich sein. Österreich hat sich – unabhängig von seinem völkerrechtlichen Status – zur Mitwirkung an internationalen Maßnahmen (NATO-PfP) entschlossen. Ohne Übungen dieser Art ist eine erfolgreiche internationale Zusammenarbeit im Interesse einer gemeinsamen Sicherheit nicht möglich!“
Fotostraße der MIRAGE 2000:
Abschließend möchte ich noch einige Fotos zeigen, die ich anlässlich der Evaluierung der MIRAGE 2000 als mögliches Nachfolgemuster für die Saab J35Ö von dem französischen S2-Offizier der Delegation, bekommen habe. Mir persönlich ist aus diesen Tagen noch lebhaft in Erinnerung geblieben, wie sich damals die französische Delegation bei dieser Evaluierung präsentierte. Da waren einmal camouflage-blaue Maschinen, dazu rosarot gestrichene Schleppstangen und das Bodenpersonal trug rote Overalls. Alles zusammen war es für ein höchst ungewohnt farbenprächtiger Auftritt.
Die folgenden Fotos sollen zeigen, wie die Eleganz und die Ästhetik der Franzosen auch im Flugzeugbau ihren Niederschlag gefunden haben. Die hier gezeigte Sonderbemalung war übrigens für die Teilnahme an einem NATO Tiger-Meet gedacht. Darüber hinaus auch ein paar Fotos, die einen kleinen Einblick in die Infrastruktur auf Einsatzflugplätzen in FRANKREICH gewähren (z.B. Shelterbauweise)!
Fotonachweis:
Abb. 1-8 u. 10-18: Privatarchiv STRIMITZER
Abb.: 9,19, 20, 22-26: Privatarchiv BÖSEL
Abb.: 21: öBH